Leistungsprämien fördern aggressives Verhalten – Menschenbild überdenken

Worker climbs stairs to trophy

Zusätzlich zum Festgehalt noch ein schöner Bonus für bessere, schnellere oder mehr Leistung – das klingt verlockend, oder? Solche Vergütungssysteme können Beschäftigte zwar motivieren, sich richtig ins Zeug zu legen und noch eine Extrameile zu gehen. Doch was als Performance-Booster gedacht ist, hat seine Schattenseiten. Mitarbeitende, die eine leistungsorientierte Vergütung erhalten, kommen gedanklich in einen Kampfmodus und verhalten sich gegenüber Kolleg*innen aggressiver als Mitarbeitende ohne solche Anreize. Das haben Forschende von Kühne Logistics University (KLU), Universität Hamburg und BI Norwegian Business School in Oslo mithilfe von mehreren Online-Befragungen herausgefunden.

„Es ist wie bei jedem Gesellschaftsspiel: Die durch den Wettbewerb entstehende Aggressivität lässt sich entweder in mehr Elan und Anstrengung umsetzen, oder man spielt etwas ‚dreckiger‘, um sicher zu gewinnen“, erläutert Niels Van Quaquebeke, Professor für Leadership and Organizational Behavior an der KLU.

 

Leistungsprämien schaden dem Team

Die Aggressivität beginnt schon im Kopf, wie die Forschungen zeigen: In einem Versuch haben Mitarbeitende Wörter vervollständigt. Beispielsweise lässt sich aus win… entweder winner oder winter machen, aus …ctory kann victory oder factory entstehen. Teilnehmende mit Leistungsbonus dachten deutlich häufiger an winner und victory als Teilnehmende ohne Bonus. Außerdem haben Mitarbeitende aus verschiedenen Branchen das Verhalten ihrer Kolleg*innen eingeschätzt: Wer einen leistungsabhängigen Bonus bekam, wurde häufiger als unhöflich und aggressiv wahrgenommen. Die Höhe des Bonus spielte dabei keine Rolle. Kolleg*innen, die älter und schon länger im Unternehmen waren, wurden wiederum als freundlicher und kooperativer eingeschätzt. „Da macht sich eventuell eine gewisse Altersmilde bemerkbar. Junge Mitarbeitende hingegen setzen eher die Ellenbogen ein, ebenso wie Männer im Vergleich zu Frauen“, sagt Van Quaquebeke. Letztlich haben die Forschenden bei Mitarbeitenden festgestellt, dass Leistungsprämien sie in ein Wettbewerbsgefühl versetzen und sie sich selbst als ruppiger gegenüber Kolleg*innen erleben – das schadet dem Arbeitsklima.

Niels Van Quaquebeke betont: „Weil solche destruktiven Effekte dieser sogenannten Pay-for-Performance-Systeme größer sind als die motivierenden, haben sich viele Unternehmen schon von individuellen Boni verabschiedet. Menschen verlieren auch oft ihre intrinsische Motivation durch zusätzliche äußere Anreize und auf Dauer motiviert ein Bonus immer weniger, sodass die Unternehmen nachlegen müssen.“

 

Was Mitarbeitende nachhaltiger motiviert

Der Wissenschaftler plädiert dafür, individuelle Bonussysteme stark zu überdenken und eher auf Teamboni zu setzen – wobei auch hier die Gefahr besteht, dass Teams gegeneinander arbeiten. Auch Organisationsboni, die als Teilhabe am Gewinn und damit als Zeichen von Fairness zu verstehen sind, eignen sich besser. Viel wichtiger aber sei, das Menschenbild zu überdenken. „Menschen lassen sich nicht allein durch die sprichwörtliche Möhre vor der Nase motivieren, sondern suchen auch Sinn in ihrer Arbeit und wollen gemeinsam etwas schaffen. Die Aufgabe von Manager*innen ist es daher nicht, Kontroll- und Belohnungssysteme zu kreieren, sondern zu führen. Sie sollten Verbundenheit, Autonomie und Kompetenzerleben ermöglichen – Bedürfnisse, die alle Menschen haben.“

Außerdem wendet sich gerade das Blatt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt. Van Quaquebeke erläutert, was das bedeutet: „Über Dekaden hinweg haben viele Unternehmenslenker*innen gedacht, man könne Menschen in Systeme pressen und mechanistisch führen. Jetzt müssen sich Arbeitgeber*innen auch mit den Bedürfnissen der Arbeitnehmer*innen jenseits der Vergütung auseinandersetzen, denn die Motivatoren sind meistens psychologischer Natur.“ Die Bezahlung ist eine Arbeitsbedingung, die dennoch stimmen muss – dafür können klare Gehaltskorridore und Beförderungsrichtlinien besser sorgen als Leistungsprämien.   

 

Originalpublikation:Daniel Gläser, Suzanne van Gils & Niels Van Quaquebeke (2022) With or against others? Pay-for-Performance activates aggressive aspects of competitiveness, European Journal of Work and Organizational Psychology, 31:5, 698-712, DOI: 10.1080/1359432X.2022.2039125